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1. Der Taxifahrer aus Ostrava
Nur ein Jahr nach dem sensationellen Europacup-Sieg bei der Premiere in Zürich trat  Wiler-Ersigen 2006 zur Titelverteidigung an. Und man bekam im tschechischen Ostrava vielleicht den besten SVWE „ever“ zu sehen. Der tschechische Meister Tatran, gegen den man sich in der Folge noch viele hartumkämpfte Duelle liefern sollte, wurde zweimal vom Feld gefegt. Im Gruppenspiel gleich mit 9:0, was den damaligen tschechischen Trainer zur Aussage verleiten liess, man habe die Karten absichtlich nicht aufgedeckt, weil man damit rechne im Spiel um Platz 3 wieder auf den SVWE zu treffen. Dieser hatte aber ganz anderes im Sinn – die Titelverteidigung. Halbfinalgegner war Warberg, der neue schwedische Meister und natürlich der Turnierfavorit. Doch die Schweden wussten nicht wie ihnen geschah. Im ähnlichen Stil wie im Vorjahr Pixbo wirbelte ein brillant aufspielender SVWE die Schweden durcheinander, führte im Schlussdrittel zu knapp mit 6:2. Dann folgten die wohl bittersten Minuten in der Karriere von Matthias Hofbauer. Erst versetzten die Schiedsrichter den SVWE minutenlang in Unterzahl, bis Warberg zum 6:6 ausgeglichen hatte und dann lenkte der Wiler Captain einen letzten Versuch eines Schweden mit dem Kopf zum 6:7 ab… die Uhr zeigte 59.59. Selbst die Schweden, welche den Turniersieg holten, anerkannten später, dass der SVWE das beste Team gewesen sei. Dieses Lob minderte das brutale Aus in keiner Art und Weise und auch nicht der 8:1-Sieg im Bronze-Spiel über Tatran (was war noch Plan dessen Trainers gewesen…). Der Frust musste natürlich runtergespült werden. Und so bestiegen Matthias Hofbauer, Lassi Vänttinen und der Sportchef irgendwann zu später Stunde ein Taxi und liessen sich in geheimer Mission an einen Ort fahren, wo es Männer so hinziehen kann. Pech nur, dass das Trio in der rund 300`000 Einwohner zählenden Industriestadt genau jenes der rund 1000 Taxis erwischte, an dessen Steuer der Bruder von Radek Sikora sass. Dieser spielte zu dieser Zeit bereits in der Schweiz und weil der Bruder die SVWE-Delegation erkannte, verbreitete sich die Meldung über die nächtliche Expedition im Heimatland in Windeseile.

2. Murphys Law und der Laptop des Cheftrainers
Der SVWE spielte in der Regel an den Europacup-(später Champions Cup genannt)Turnieren auf Augenhöhe mit den skandinavischen Widersachern. Mit zwei Ausnahmen. Das Turnier 2008 in Helsinki missriet ebenso wie der Auftritt 2010 in Lettland. Im Provinz-Städtchen Valmiera war der Unihockey-Gott erneut nicht auf SVWE-Seite. Erst unterlag man dem neuen schwedischen Dreamteam Storvreta um Mika Kohonen, Henrik Stenberg und Hannes Öhmann mit einem späten Gegentor bitter mit 4:5 und musste dann ansehen, wie die bereits qualifizierten Schweden gegen den tschechischen Vertreter Vitkovice schon im Startdrittel mit 1:4 in Rückstand lagen und am Ende 5:7 verloren. Weil der SVWE gegen die Tschechen nur 2:2 gespielt hatte, blieb nur noch die Partie um Rang 5.  Der Wiler Übungsleiter beklagte an diesem Turnier die teils mangelhafte Einstellung des Teams. Da vergassen Spieler ihr Matchtrikot im Team-Hotel, oder verbrachten zu viel Zeit mit «Gamen», oder waren nach einem nächtlichen Trip für Stunden nicht auffindbar.
Dabei hatte der Cheftrainer doch sein Team wie immer akribisch auf alle Gegner eingestellt, passende Videos aufbereitet. Pech nur, dass er seinen Laptop beim Beladen seines Miet-Autos auf dem Hotelparkplatz kurz auf dem Boden abstellte, diesen dann aber nach Verstauen der Tasche vergass und rückwärts über sein elektronisches «Unihockey-Hirn» fuhr. Noch mehr Pech war, dass ausgerechnet Daniel Streit die Szene mitbekam… dieser blieb natürlich verschwiegen wie eine Kaffee-Klatsch-Tante. Und als hätte es noch eines weiteren Beweises für die bemängelte Einstellung des Teams gebraucht, verkam auch die Partie um Rang 5 gegen die lettischen Gastgeber zu einem munteren Scheibenschiessen. Sieben Mal musste sich Laptop-Story-Flüsterer Dani Streit bezwingen lassen. Am Ende siegte der SVWE zwar mit 13:7, doch der Auftritt passte bestens ins Bild, mit einem 1:2-Rückstand nach dem Startabschnitt. All dies war zweifellos den fehlenden Videobildern in der Matchvorbereitung geschuldet.

3. Talentfreier Fussballer Dani Streit

Es war ein grosser Moment – am 19. November 2006 kann der SVWE in die neue Arena in Kirchberg einziehen. Mit dem Spitzenkampf gegen die Tigers Langnau ist der Rahmen würdig, mit über 1300 Zuschauern die Grossmatt mehr als voll. Nach gut zwei Minuten kommt ein Ball Richtung Wiler Goalie Daniel Streit. «Dax» will in Fussballer-Manier ausserhalb des Goalieraums vor dem anstürmenden Tigers Spieler mit Fuss befreien und tritt über den Ball, dieser kullert aufreizend langsam hinter ihm über die Linie zum 0:1. Blankes Entsetzen auf der Wiler Bank beim Cheftrainer. Und was macht Streit? Er nimmt den Helm ab und zeigt sein breitestes Grinsen. Am Ende siegt der SVWE bei der Premiere souverän mit 8:4, das Tagesgespräch bleibt aber Streits Aussetzer und vor allem seine für ihn so typische Reaktion.

Ledermedaille – Autotüre unter dem Arm
Auch diese Szene ereignete sich im Ausland, am Champions Cup 2011 im tschechischen Boleslavl. Die Fans waren untergebracht in einem schmucken Hotel, das erreicht werden konnte durch ein mittelalterliches Tor, wie wir es aus Innenstädten kennen, beispielsweise in Solothurn. Nur war das Tor um einiges schmäler. So sassen die meisten der Fans beim Frühstück, als sie plötzlich einen grossen Knall hörten. Verwundert streckten sie die Köpfe aus dem Fenster, um zu sehen, was denn passiert sein könnte. Und was sie zu sehen bekamen, war Comedy pur. Da spazierte der damalige Vizepräsident mit einer Autotür unter dem Arm Richtung Hotel-Lobby. Nun denn, er hatte bei der Wegfahrt vom Parkplatz die Türe nicht richtig geschlossen und so blieb diese an der schmalen Tordurchfahrt hängen. Der geplante Ausflug nach Prag konnte dann mit einiger Verspätung doch noch stattfinden, doch die Story des Turniers war geliefert.

Letzte Folge:  Auflistung diverses Top 3

Das war`s
*Nach 26 Jahren bin ich das «Virus» los… endlich. Nein, nicht das Corona-Virus – das Unihocky-Virus, das mich 1995 ebenso unerwartet erwischt hat, wie die Menschheit im Frühjahr 2020 Covid19. Durch Zufall kam ich damals zum SV Wiler-Ersigen, wurde als ehemaliger Schreiberling bei einer Lokalzeitung angefragt, beim Saisonbulletin des Vereins mitzuhelfen. Die Zusage endete mit der Wahl zum Vizepräsidenten, wohlgemerkt in meiner (Ferien)-Abwesenheit. An meiner ersten Vorstandssitzung gab ich den Vorstandskollegen den Rat, den Verein sofort aufzulösen, mangels Finanzen und Perspektiven – oder: ganz neu anzufangen und eine Juniorenabteilung zu formieren. Der Rest ist Geschichte: Ich durfte den Aufstieg eines Dorfclubs zur Nummer 1 in Europa und national zum Rekordmeister begleiten und auch ein wenig mitprägen. In diesem 26 Jahren habe ich unglaublich schöne, aber auch bittere Momente erlebt, faszinierende Personen kennen gelernt und vor allem: ich denke, ich konnte mit meiner ehrenamtlichen Tätigkeit einen Beitrag an die Gesellschaft leisten. Da reicht mir schon eine Zahl: Angefangen mit 0 Junioren, aufgehört mit über 300. Das ist meine Befriedigung, verbunden auch mit dem Dank an alle Funktionäre, die aus gleicher Motivation handeln. Sie sind für unsere Gesellschaft viel wichtiger als all die «unverzichtbaren» Manager, die in ihrer Scheinwelt Jahr für Jahr unanständige Boni abholen (geduldet von der Politik). In einer losen Folge werde ich hier eine Art «best of»-Serie niederschreiben und mich damit aus der Unihockey-Szene verabschieden – Marcel Siegenthaler (Sportchef und Kommunikation SVWE, Juni 1995 bis Juni 2021)